Arbeit im Flüchtlingscamp Mavrovrouni (Moria) auf Lesbos
Bereits zum dritten Mal war ich im Oktober und November 2022 auf Lesbos, um Behandlungen für Asylsuchende zu geben, die im dortigen Flüchtlingscamp leben.
Die Erfahrungen möchte ich an dieser Stelle aufschreiben und etwas wiedergeben, von dem, was ich dort an erlebe. Aus Respekt gegenüber den Klienten und um ihre Privatsphäre zu schützen, verzichte
ich auf Bilder von Personen.
Warum ich diese Arbeit mache
Ein kurzer Video-Bericht
Unter folgendem Link können Sie meine Arbeit für 2023 durch Spenden unterstützen:
Fundraising-Kampagne auf Betterplace
Wiedersehen
Earth Medicine hat inzwischen einen Container direkt im Camp. Behandelt wird momentan nur dort direkt im Camp, nicht mehr in der Praxis außerhalb in Mytilini. Heute hab ich das erste
Mal im Camp Behandlungen gegeben. Es sind deutlich weniger Menschen zur Zeit in Moria untergebracht als noch im März, vorrangig aus Somalia, Nigeria, einige aus Afghanistan. Tief berührt hat mich
die Begegnung mit einem jungen Mann aus Somalia, den ich im März bereits einige Male behandeln durfte. Damals konnte er nicht laufen, hatte Lähmungserscheinungen in den Beinen und Füßen, saß im
Rollstuhl, war sehr schwach und abgemagert, so zart. Heute begegnet mir ein schüchterner Mann, hochaufgerichtet, er läuft, fährt Fahrrad, lernt Gitarre spielen, spricht inzwischen englisch.
Erlebnisse wie diese lassen mich spüren, wie wichtig es ist, diese Arbeit zu machen. Zu sehen, wie die vereint zusammen wirkenden Kräfte Hoffnung geben können und zu so unglaublichen
Fortschritten beitragen. Was für ein wunderbares Erlebnis zum ersten Tag heute im Camp.
Oktober 2022
Vorläufiger Abschied
Und wieder geht meine Zeit auf Lesbos zu Ende. Gestern habe ich am Meer gesessen, ein windiger Tag, das Wasser aufgewühlt. Das Meer, erscheint mit an diesem Ort in seinem wechselhaften
Ausdruck, so facettenreich, zwiespältig, auf dieser Insel der Extreme. Mir ist schmerzlich bewusst, dass viele Menschen, die unfreiwillig hierher kamen, es gleichzeitig als heilsam und
vernichtend erleben. Ich versuche Worte zu finden – etwas von dieser Welt hier mitzuteilen, in die ich eintauche.
Mein Herz verbindet sich an diesem Ort, in der Arbeit als Heilerin mit so vielen wunderbaren Menschen auf so vielen verschiedenen Ebenen. Vielmehr: es fühlt sich an, als würde Verbindungen
auf der Seelenebene hier viel leichter und müheloser entstehen als anderswo. An diesem Ort als Heilerin arbeiten zu dürfen, ist ein Geschenk: so viel Liebe, Achtsamkeit, Dankbarkeit und
Vertrauen fließen zu mir zurück, dass ich mich voller Lebensintensität fühle und zutiefst dankbar für die Fügungen des Lebens, die mich mit diesem Ort und diesen Menschen zusammenführen.
Die Fortschritte der Heilungsprozesse, die meist aus dem Zusammenwirken unterschiedlicher Ansätze heraus entstehen, sind faszinierend in ihrem Tempo zu beobachten. Es ist wunderschön zu
erleben, wie Menschen, die ich vor vier Monaten noch von viel Leid gezeichnet erlebte, erstarkt sind, ihre Fühler ausstrecken, wieder neu ins Leben hinein.
Dies Mal habe ich überwiegend, meist sehr junge, Männer behandelt: aus Somalia, Palästina, Afghanistan. Ihr Mut und ihr Vertrauen, ihr Stolz und ihre Zartheit, die sie sich durch ihre oft
grausamen Lebenserfahrungen bewahrt haben, hat mich zutiefst berührt. Ich danke den Männern für ihr Vertrauen, sich auf die für sie so ungewohnte Situationen während der Heilbehandlungen
einzulassen. Und dann die Frauen - die starken, warmherzigen, liebevollen Frauen, mit ihrem Hunger nach Lebenslust, lachen, tanzen, Musik, Freiheit – Leben.
Was für großartige Arbeit Fabioladurchgängig hier leistet, widrigen, ständig wechselnden äußeren Bedingungen trotzend, ist beeindruckend.
Ein so starkes Team in changierender Zusammensetzung - es ist eine Freude mit Euch zu arbeiten. Earth Medicine wächst und gedeiht – möge dieser Ort der Heilung weiterhin erblühen und von außen
die Unterstützung – nicht zuletzt die materielle – erfahren, die diese so überlebensnotwendige Arbeit für viele Geflüchtete in Moria ermöglicht.
Frühjahr 2022
Ein Bericht der taz anlässlich des Jahrestages des Brands von Moria
https://taz.de/Ein-Jahr-nach-Brand-in-Moria/!5795520/